Ötztal-Wochenende 15. bis 17.07.2011

Nachdem der eigentliche Termin für den F-Ötzi wg. schlechtem Wetter verschoben wurde, ergab es sich, dass der Ausweichtermin mit einem Tag Resturlaub und einem von der Familie gemehmigten „Papa-ist-nicht-da-Wochenende“ zusammenfiel. Das nennt man dann wohl Glück.

Das Wetter war zwar auch für dieses Wochenende als ne recht halbseidene Angelegenheit prognostiziert, aber mei, was willste machen…

Im Laufe der Woche habe ich meine sieben Sachen gepackt, das Wohnmobil beladen und mich am Freitag in der Früh nach einem noch sehr unangenehmen Termin beim Tierarzt (nein, keine Doping-Mittelchen für mich) kurz nach neun Uhr auf den Weg gemacht.

Bis Füssen ging die Fahrt normal, trotz viel Verkehr. Aber wenig LKW, kaum Baustellen und so kommt ein Wohnmobil auch so leidlich voran. Die letzten 95 km waren sehr ätzend. Der Fernpass war komplett verstopft, eine ganze Stunde kostete das Nerven. Nach etwa sechs Stunden Fahrzeit dann die ersehnte Ankunft in Längenfeld.

Meinen ursprünglichen Plan, am Freitag noch auf’s Hahntennjoch zu radeln, begrub ich ganz schnell. Zum Einen war es schon zu spät und viel entscheidender, der Verkehr auf der Ötztal-Bundesstraße bzw. auch schon rund um Imst war einfach brutal. Das wäre nichts für mich Landei geworden.

Der Campingplatz in Längenfeld ist ein Gedicht, direkt zwischen Therme und Freibad gelegen, ganz ruhig, wenn man mal das Rauschen der Gurgler Ache, die hinterm Camping ihren Weg nimmt, ignoriert. Und das „schschschschschscht—Klack“ der Schübe der Damen und Herren, die ihr Sommer-Eisstock-Turnier austrugen. Und das Geschrei der Fans des VfB Stuttgart, der just an diesen Tagen auf dem Sportplatz neberm Camping sein Trainingslager abhielt. Wahnsinn, was da los war. Ist doch nur Fußball…

OK, Fuhrwerk installiert, gegen 16:30 Uhr war ich abradelbereit, Richtung Süden.

A) Freitag, Vorbelastung Timmelsjoch (bzw. Hochgurgel) von Längenfeld aus

Ich wählte das weiße Rennrad, was definitiv ein teurer Fehler war, aber später mehr.

An die Bundesstraße bzw. den Verkehr konnte ich mich langsam gewöhnen. Aber nicht an das Wolkenbild. Es war noch recht mild, aber es sah bedrohlich aus. Langfingerhandschuhe und die Regenjacke steckten im dicken Trikot. Ab Zwieselstein fing es dann wirklich an zu nieseln, ich fuhr dennoch weiter und wollte schon Richtung Vent, Rofaner Höfe abbiegen (da war ich als Kind mal urlauben mit den Eltern) aber der Einfachheit halber fuhr ich halt doch rauf, Richtung Timmelsjoch.

Meine in Längenfeld gewählte Übersetzung von 49/17 limitierte mich jetzt doch und ich gönnte mir 49/21 für den Aufstieg. Ein, zwei Kehren unterhalb Hochgurgel dann Regen, richtig arg viel Regen. So dass ich mein Unterfangen, bis auf 2.509 m ü.NN zu fahren, etwa einen km vor der Mautstation abbrach und mich für die Abfahrt anzog. Im Schneetreiben muss ich mich nicht tummeln, äh… timmeln…

Innerhalb Sekunden war ich durch und durch nass und die eh schon niedrigen Temperaturen taten ihr Übriges, ich brauchte häufiger die halbe Straße, um meine Zitter-Schlenker auszusteuern. War aber kaum Verkehr mehr zwischen Zwieselstein und Sölden.

Unterhalb von Zwieselstein immer noch alles naß, also hat sich das Dreckswetter richtig ausgebreitet. Meine Hoffnung, dass es wieder abtrocknen würde, wurde nicht erfüllt.

Ein schneller Blick auf’s Ergomo – nix zu sehen, dunkel. Verdammt, abgesoffen. Der seit 2008 tadellos arbeitende Computer also jetzt verreckt. Kein Werkzeug dabei, um ihn am Camping aufzumachen und austrocknen zu lassen. Ergebnis: Defekt. Teure Radtour.

Wenige km vor Längenfeld dann fast Ende mit dem Regen und im Ort selbst kein Tropfen mehr. Immerhin etwas. Ich war völlig durchgefroren und glücklich über die wirklich sehr luxuriösen Duschen. Eine halbe Stunde stand ich bestimmt unter dem heißen Wasser.

Es war dann schon um 20 Uhr, einen Spaziergang zur Therme wollte ich gem. meinen vorgeplanten Aktivitäten eigentlich noch machen, na ja – Wasser hatte ich definitiv genug.

So ging es halt nur bis zum Campingplatz-Imbiss und einer große Currywurst mit Kartoffeln sowie einer Schnitzelsemmel ging es an den Kragen.

Danach Bett, es war 22 Uhr und ich musste am Samstag bereits um 2 Uhr in der Früh wieder aus den Federn. Lediglich vier Stunden Schlaf verschrecken dann sogar mich ein wenig.

B) Samstag, F-Ötzi von Längenfeld und Kematen

Aber, da schau her. Wenige Minuten vor dem Wecker wachte ich von selbst auf. Die Katzenwäsche mit Untermalung durch volkstümliche Radiomusik in nicht unerheblicher Lautstärke war auch was Neues. Die erste Herausforderung des noch jungen Tages.

Dann der Blick zum Himmel, uiiiiii! Es ist ja quasi Vollmond und es ist recht wenig Bewölkung am Himmel. Die Sterne blitzen mich an. Temperatur nicht übel, also reicht U-Hemd, Trikot (leicht), Armlinge, ¾-Hose, Weste und für die Abfahrt nach Ötz die leichte Regenjacke aus.

Aber erst noch das Frühstück. Zweimal großer Milchkaffee, ein halbes Kilo Joghurt mit ner Banane und ein halbes Brötchen mit Frischkäse sowie viel Saftschorle war das erste Frühstück des Tages.

Wg. der Freitags-Kälte packte ich Regenkleidung in den Rucksack und warf das sonstige Zeug, das mir noch nützlich sein könnte, mit dazu. Rucksack-Touren bin ich gewöhnt und wirklich schwer ist das bissl Zeug ja nicht. Dennoch, meinereiner plus den ganzen Kram in Summe auf der Waage, das sind dann halt schon zwei Zentner Systemgewicht.

Um 3:20 Uhr klickte ich ein und nahm nach dem Verlassen der Ortschaft erstmalig dieses sensationelle Naturschauspiel so richtig wahr. Der Vollmond tauchte sämtliche Felsformationen und Flächen in marmorfarbenes, fahles Licht – ich konnte mich kaum satt sehen und war mir sicher, dafür lohnt es sich immer wieder, bald aus den Federn zu klettern.

Nach etwas über 30 Minuten und immerhin einer Handvoll wie narrisch rasender Taxis erreichte ich Ötz und den Abweig ins Kühtai. Die Regenjacke in den Rucksack, ebenso die Handschuhe und nen kleinen Gang aufgelegt. Es geht also los, es wird ernst. Erinnerungen an den ersten F-Ötzi, wo ich in Sölden gestartet bin, werden wach.

Am KT-Aufstieg finde ich zwei Stellen besonders unangenehm, die Steigung im Bereich der letzten Häuser, kurz danach das erste Weidegitter und dann die nächste Viertelstunde. Daran finde ich nix und schon gar keinen Rhythmus. Danach geht es aber und bald kann ich meine Frontleuchte ausschalten und mir den Weg durch den Mond leuchten lassen.

Unbeschreibliche Momente sind das.

Die Strasse präsentiert sich in sehr gutem Zustand, die Kehrengruppe ist komplett modernisiert, das Steilstück hinter Ochsengarten hat seine Galerie fertiggestellt bekommen und es rollt überall gleichmäßig gut. Wenn man das vom bergwärts fahren so sagen kann.

Beim Weidegitter unterhalb des Stausees dann die ersten Kühe, die mich anschauen. Das Vieh weiter unten war noch im Tiefschlaf. Ich unterhalte mich mit den Tieren, wünsche einen guten Morgen. Freundliches Glockengebimmel erfüllt die Luft.

Die Kehren am Stausee sind noch nicht fertig renoviert, so ein bisschen Baustelle nach der Kanalsanierung, so sieht es zumindest aus, ist noch da.

Dann, der Oberhammer schlechthin. Ich schaue über den See und zwischen den vom sanften Morgenrot angeleuchteten Bergriesen steht der Mond. Rund, riesig, leuchtend. Von nichts verdeckt, in ganzer Schönheit. Ich halte kurz an und genieße den Moment.

Oben folgt dann Wasser nachfassen, die feste Regenjacke aus dem Rucksack, Handschuhe wieder an und die kurze Regenhose übergestreift. Dann ab in den Sonnenaufgang.

Vor der ersten Galerie: Weidegitter. Danach auch wieder, dito an der zweiten Galerie. Seitlich auch kein Reinkommen mehr für Kühe, Stahlseile sind gespannt. Ziegen kämen da aber schon noch rein, also vllt. Beim echten Ötzi doch noch ein wenig Obacht geben.

Meine jeweiligen ersten Bremsmanöver quitieren die Scheibenbremsen mit infernialischem Gekreische. Peinlich, um diese Uhrzeit und in dieser Ruhe. Ein Pferd wiehert mich an. OK, danach dann kein Lärm mehr, scheinbar war das nur die Feuchtigkeit.

Ich friere trotz der ausreichenden Kleidung sehr, aber nicht so schlimm, dass ich keine gute Linie fahren kann. Das Abfahren macht mir richtig Spaß, obwohl ich doch verhalten bin, das Thema Wildwechsel ist halt im Kopf immer mit dabei.

Um knapp vor sechs Uhr erreiche ich den Bäcker in Kematen (den unteren, nicht den gleichen Namens im Ortszentrum), es sind für etwas über 40 km zw. Ötz und Kematen genau 2 h vergangen.

Der Bäcker ist dann etwas seltsam, was die Atmosphäre betrifft. Man stelle sich einen McDonalds vor, nur voller Backwaren. Dementsprechend versammelt sich da allerlei Volk. Angetrunkene Disco-Geherinnen (sechs Rühreier pro Person), eine Frau, die in Ruhe ihre Zeitung lesen und ihr Frühstück genießen will, Soldaten und Radfahrer…

Es wird deutlich nach sieben Uhr, bis wir uns nach einem Gruppenfoto auf den Weg machen. Der bei meiner Ankunft noch völlig klare Himmel ist nun dem Morgennebel gewichen, fahles Licht macht sich breit.

Ich habe über eine Stunde in dem Backladen benötigt, um nicht mehr zu frieren. Die ersten 2,5 h des Radtages haben mir richtig zugesetzt. Nur, ich merke es jetzt noch nicht so wirklich, was eher ungünstig ist.

Der Weg bis nach Innsbruck ist gleich erledigt, ich fahre neben Bergauffahrer her und wir palavern und reden, was das Zeug hält.

Die gesamte Brennerauffahrt geht gut mit 46/16, das Wetter ist toll und wir freuen uns tierisch. Der Grossteil der Gruppe trifft sich an der Tankstelle oben, ich rolle ein paar Meter weiter, rechter Hand ist ein Brunnen. Dort trinke ich und fülle eine Flasche nach und esse etwas.

Das Frühstück in Kematen war nix genaues. Zwei Cappu und zwei süße Teilchen. Vor lauter Frieren hatte ich keinen Sinn dafür, mehr zu mir zu nehmen.

Brenner abwärts der übliche Gegenwind, neben der Straße ein neu angelegter Radweg, eine erstaunliche Linienführung wird sichtbar, an mindestens einer Stelle Rückführung auf die Straße (wg. Brückenbauwerk) und ansonsten recht geschwungene, meiner Meinung nach gefährliche Linie. Für eine Rennradgruppe ganz sicher nicht geeignet. Der Strassenverkehr hatte aber auch kein Problem mit uns, in diesem Abschnitt.

In Sterzing wird es dann warm, ich halte kurz vorm Kreisel, der für mich die Jaufen-Auffahrt markiert, an. Wir wechseln Kleidung. Zwo Drittel der Gruppe sind weiter gefahren.

Nach wenigen Pedalumdrehungen im Jaufen weiß ich Bescheid. Debakeltag. Juhu. Naja… Kann man jetzt fleissig drüber sinnieren, warum, wieso, warum.

Ist halt blöd, gerade an so nem Event.

Naepfelchen ist noch hinter mir, es dauert nicht so arg lang, dann hat er mich und ich hänge mich hinten rein und glotze stoisch auf die Hinterradnabe. Dura Ace – Dura Ace – Dura Ace – Dura Ace – … lese ich da. Toll. So meditativ.

Wir fassen Wasser und lassen uns etwas Zeit. Schön, auf dem „Pumpenkopf“ des Brunnens steckt ein Wasserglas. Für die Erfrischung des durstigen Wanderers.

Ich schwitze wie ein Schwein, ich fühle mich unwohl, es ist einfach viel zu warm für mich. Erst zu kalt, dann zu warm. Kann ja in St. Leonhard dann so richtig lustig werden.

Etwa in der Höhe des Jaufenhauses lasse ich Naepfelchen ziehen und trapple die letzten 100 hm so lustlos wie nur irgendwas mit einstelliger Geschwindigkeit vor mich hin. So ne Übersetzung von 33/28 ist schon praktisch, nur – es geht damit nicht voran.

Oben dann für mich was Neues, die Gruppe sitzt rechts am Imbiss in der Sonne. Bislang stoppte ich immer bei dem ein paar Meter weiter befindlichen Etablissement links der Strasse. Der Apfelstrudel war keine Sensation, aber auch weit entfernt von ungenießbar. Eine Packung Kekse sowie eine Cola folgtem dem Teil inklusive Cappu in den Magen. Irgendwie war mir ganz zittrig. Aber das Wetter, perfekt. Dafür lohnt es sich doch auch schon…

Dann die Abfahrt. Jaufen mit Scheibenbremsen am Rad, eine neue Erfahrung für mich, eine absolut gelungene. Das Nachsetzen hinter den vielen Autos ohne Angst um Hitzeplatzer eines Schlauches oder gar wanderndem Schlauchreifen haben zu müssen, alles kein Thema. Das Zeug bremst einfach so schön. Dank der dicken 28-mm-Reifen war die nach wie vor recht schlechte Straße (manche sagen, sie wird immer schlimmer) auch keine Herausforderung.

Unten angekommen Treff am Brunnen, Wasser fassen und kurz schauen, was los ist. Dann leider das unschöne Telefonat. Naepfelchen und sein Sturz und keiner weiß, was los ist. Ein Teil von uns geht was einkaufen, auf dem Parkplatz des Spar-Marktes werden wir von anderen Rennradlern angefragt, ob wir Stefan kennen (also Naepfelchen). So erfahren wir, dass Polizei und Sanitäter unterwegs sind.

Ich muss ganz klar zugeben, ich konnte mit der Situation überhaupt nicht umgehen. Und machte bzw. mache mir auch jetzt noch Gedanken darum. Am quasi ungünstigsten Ort so ein Unfall. Krankenhaus Meran, Fahrrad? Auto steht in Kematen. Am nächsten Tag wieder alles wie immer, die Arbeit, die Familie? Das wird ganz schnell ganz kompliziert – mal unabhängig von den Verletzungen.

Ich bin ernsthaft am Überlegen, ob ich meine langen Alleinfahrten in gänzlich unbekanntem Gebiet überhaupt noch machen soll, aus Verantwortung gegenüber der Familie heraus usw.

Es geht weiter. Ich weiß nicht, wie spät es ist, es ist warm, das nächste Stück bis hinter Moos und die Kehrengruppe hasse ich eh wie nix Gutes und so latsche ich vor mich hin.

Ich hatte mir nen Trinkjoghurt gekauft. Auf den hatte ich jetzt Lust. Die Banane und ne kleine Cola war am Parkplatz schon vernascht. Eine halbe Tüte Gummibärchen ebenso. Kein tolles Mittagsmal.

Also, neben eine Kehre ins Gras gehockt, die Überschuhe (so dünne Zeitfahrteilchen) runter vom Schuh, die Socken runter, barfuß in den Schuh, so liebe ich es. Dann den Joghurt runter und ab durch die Mitte, es kamen nämlich Viecher, Bremsen. Gewitter im Anzug?

Unser Frühaufsteher kam in der Situation, wie ich da so saß, vorbei und bot seine Hilfe an. Nein, ich bin nicht zusammengebrochen, aber es mag so ausgesehen haben, keine Frage. Hilfsangebote sind immer schön.

Ich brauchte ewig und drei Tage (etwa bis zu dem Imbiss, der rechts, bevor dann bald das Flachstück beginnt, erbaut wurde), um ihn wieder einzuholen und so fuhren wir gemeinsam bis zur Kehrbrücke über den Bach. Dort stoppte ich erneut, denn nun war es meinen Füssen dann doch zu kalt. Socken dran, Armlinge ebenso, den Rest der Gummibärchen futtern, die zweite Banane hinterher, trinken.

Der Vollständigkeit halber, die Wasserstelle im Flachstück (Brunnen leicht oberhalb eines Waldweges) gibt es immer noch, aber das Wasser rinnt so dünn, da haben wir aus dem Trog geschöpft. Scheint dennoch „gesund“ gewesen zu sein.

Der Frühaufsteher war also auf und davon, es kam der Radler im weiß/schwarzen Outfit mal wieder vorbei (eigentlich hatten wir mit ihm schon vorher wechselnde Positionen, je nach dem, was gerade so los war) und dann noch einer in nem roten Trikot. Der sah mordsmäßig fit aus und legte ein nettes Tempo rund um diese Kehre vor.

Ein gutes Stück weiter dann noch mal richtig Wasser fassen beim Gasthof, danach ein unangenehmes Stück mit viel Verkehr und dann hatte ich den Roten wieder. Kurzes Gespräch. Ja, er fährt als Abschluss einer ganzen Radwoche jetzt nur mal hoch und oben wartet sein Auto. Toll. Da kann man natürlich in wenig beherzter reinklotzen.

Er kam dann aber trotzdem nicht vor mir am Tunnel an. Den weiß/schwarzen Radler und Frühaufsteher sah ich aber nicht mehr bzw. immer nur mal kurz am Ende der langen Geraden zw. den Kehren.

Kurz vorm Tunnel war die Witterung dann leicht unangenehm, quasi Nebel mit Sicht unter 100 Metern und ich montierte Licht und zog die Weste an. Am Tunnelportal dann die übliche Erleichterung und drüben raus die Steinwüste. Was für ein übles Stück Welt. Wie muss dass vor ein paar hundert Jahren hier gewesen sein, für die Leute, die da drüber mussten oder wollten. Unvorstellbar.

Ja was? Regen… Am Zollhäuschen (jetzt weg und ein paar Meter weiter einem genauso hässlichem Parkplatz mit Restaurant gewichen) dann das volle Programm. Dünne Jacke, Regenjacke, Handschuhe, Regenhose. Noch was essen, trinken. Ab. Es regnet, aber so richtig. Ich bin froh über meine Kleidung.

Der weiß/schwarz Gekleidete hat mich da natürlich wieder überholt, während meiner Ankleideorgie. Aber, in der Abfahrt hatte ich ihn sofort wieder, der war völlig fertig vor Kälte.

Den Gegenanstieg habe ich quasi ignoriert, das Ding war einfach nicht vorhanden und trotz Gegenwind bin ich da drüber wie nix. Warum eigentlich erst jetzt? Ein leises Krampfen verspürte ich, egal.

Kurz unterm Mauthäuserl dann die nächste Überraschung – der Regen ist fertig. OK, du blödes Mistding. Wenn du glaubst, ich ziehe das Zeug jetzt wieder aus…

Schön warm eingepackt ging es runter bis zum Recycling-Hof kurz vor Sölden. Da dann richtig Wärme, ich wählte wieder die sommerliche Garderobe, es gab noch ein Häppchen (vermutlich einen Riegel) und was leckeres zu trinken (bäh…) und schon stehe ich in Sölden mit angezogener Handbremse beim Bäcker beim Grossteil der F-Ötzi-Gemeinde.

Kurzer Infoaustausch wg. unserem Sturzopfer und eigentlich klar, wir fahren weiter. Irgendwie geht es aber nicht vorwärts und so rolle ich langsam los. Und noch ein bisschen und noch keiner hinter mir und immer noch keiner und Sölden ist zu Ende und ich alleine auf der Straße. OK, dann alleine nach Hause. Ist ja nicht mehr weit. Der Rest bis nach Längenfeld ist ja, wie man so schön sagt, auf einer Arschbacke abgeritten.

Einfahrt in den Campingplatz, Zeug vom Leib, alles versorgen, ausgiebige Dusche, Fußweg in den Ort, Suppe, Pasta, Pizza, Spaziergang und dann bald ins Bett.

Abgesehen vom körperlichen Unvermögen und der wahrlich bescheidenen Situation des Unfalls – ein schöner Tag. Trotz ca. 10 km lang unnötigem Regen. Das wäre irgendwie, wenn ein paar Umstände halt anders gewesen wären, auch vermeidbar gewesen. Aber scheinbar ist ein F-Ötzi für mich grundsätzlich mit Regen verbunden.

Im Bett sinnierte ich noch, wie wohl der Sonntag werden würde. Wetter, Fitness, Lust?

C) Sonntag, 4. Ötztaler Radtag (Rettenbachferner autofrei)

Nach etwa neun Stunden hervorragendem Schlaf machte ich das Auto auf und mich umfing Sonne und Wind. Ach, das war schön. Alle Bedenken, dass das kein guter Tag werden würde, waren wie weggewischt. Ich war voller Tatendrang.

Die Beine waren erholt, dem Rest vom Kerl ging es mehr als prima, ich hatte bis 8:30 Uhr Zeit, genoss mein Frühstück (Nusskuchen, Kaffee, Joghurt, Saftschorle) und putzte das OCCP. Es ist doch Sonntag, es muss glänzen, Schaulaufen am Rettenbachferner ist angesagt.

Für den Weg nach Sölden (etwa 16 km) benötigte ich fast 45 Minuten. Am Freitag war ich in etwa 35 Minuten dort. Woher kam denn die Differenz? Von einem irren Gegenwind. Höchstgeschwindigkeit über weite Teile etwa 20 km/h. Ich glaube, ne 30er Geschwindigkeit hatte ich erst kurz vor Sölden, als ich zwei andere Radtagteilnehmer erreichen wollte.

Den F-Ötzi mal andersrum fahren und das komplette Ötztal mit so einem Wind kämpfen? Ich glaube, das ist ne ganz harte Nummer und erhöht die nötige Anstrengung enorm bzw. erfordert eine gute Teamarbeit. Aus dem Inntal raus bis hoch auf’s Joch, das sind ganz viele hm, gepaart mit auch arg vielen km und Wind. Hmmmmm… Wir doch wurscht, heute.

Ich bin in Sölden, die Sonne lacht, es hat wohlige 15 Grad und am Startbogen drücke ich meine persönliche Stoppuhr. Eine offizielle Zeitmessung a la Stoppomat gebe ich mir nicht. Dafür bin ich def. nicht frisch genug.

Es ist ca. 9:15 Uhr, gleich ist der Abzweig erreicht, es geht los. Nach zwei, drei Kehren habe ich meinen Rhythmus gefunden. Die Übersetzung 33/21 ist günstig. Ab und an ein Ritzel leichter, aber vom Prinzip her ist das so ganz prima zu fahren. So arg viele Leute sind noch nicht unterwegs. Die Mehrzahl auf MTB, viele gekleidet in den Sportsachen des Söldener Rad-/Skivereins.

Junge Kerle auf dem MTB haben noch Gaudi daran, sich gegenseitig am Bremshebel zu ziehen und eiern da fröhlich rum, mit viel Gelächter. Wir sind in den ersten zwei Streckenkilometern, es Spaß da.

Na ja, nicht für alle. Gibt auch welche, die brauchen jetzt schon die ganze, sehr breite Straße und winden sich wie eine Schlange im Fußgängertempo nach oben. Bedenklich finde ich nur, dass die so angetriebenen Fahrräder hinsichtlich der Bremsen manchmal nicht so gut aussehen. Die Leute müssen doch wieder heil runter…

Der Verleih (kostenlos) von E-Bikes mit 250 Watt Unterstützungsleistung scheint erfolgreich gewesen zu sein. Ich habe einige Personen auf diesen Rädern gesehen. Allen gemein war, dass ihnen die Elektrounterstützung nichts geholfen hat, zu steil die Straße, zu schwer die Besatzung, zu schwach die Muskeln. Auch hier Schlangenlinien und heftig stampfende Beine.

Ein Tandem sehe ich, sieht aus wie Marke Eigenbau bzw. ein sehr altes Gefährt, ganz dünnes Stahlrohr, langschenkelige „Weinmann“-Bremsen – wie wollen die das Fuhrwerk runterbremsen? Die Besatzung ist nicht mehr die Jüngste, hoffentlich haben sie Erfahrung mit sowas.

Und, ganz kurios, ein „Fahrrad“, das wie ein Stepper, wie man ihn aus Fitness-Studios kennt, angetrieben wird. Bemerkenswert, wie einfach das ausgesehen hat.

Ich bin noch immer im ersten Streckendrittel von 12 km. Überhole fleissig und werde selbst nicht überholt. Es ist gleichmässig steil, der Wald riecht gut, die Aussicht ist schön, es gibt Schatten, den ich auch gezielt anfahre und mir geht es richtig fein.

Nur nicht übertreiben, ich weiß nicht, was mich noch erwartet. Meine Stoppuhr erzählt mir, dass ich eine Kilometerdurchgangszeit von etwa 6:50 Minuten habe. Schnell ist das ja nun gerade nicht.

Komischerweise stehen nirgendwo Schilder mit Steigungswerten, ich kann echt nicht sagen, ob ich mit 9 km/h bei 10% rumgurke und mir der Samstag doch in die Suppe spuckt oder ob es steiler ist und ich mit dem Tempo leben kann. Ach, egal.

Dann passiert was ziemlich komisches. Es ist nicht mehr weit bis zu der Skifahrerbrücke, die die Straße quert, ich kann schon seit einiger Zeit einen Mann vor mir sehen, orangene Jacke und Fitnessrad unter sich. Er fährt langgestreckte Zick-Zack-Linie und ich denke mir, mei – das gibt’s doch gar nicht, was zappelt der dauernd so hin und her. Ich kriege ihn aber nicht. Meine bisherige Meinung, dass jemand am Ende seiner Leistung ist, wenn er die ganze Straße braucht, wurde übern Haufen geworfen.

Denn: Es kommt die Mautstation, in der leichten Wanne ist eine Verpflegung, ich fahre weiter, steche auf den Fotografen zu, damit der auch mal was zu tun kriegt und dann geht es wieder bergwärts. Mein Zick-Zack-Fahrer hat sich verpflegt.

Nach einigen hundert Metern drehe ich mich um und was sehe ich, der Mann holt auf. Und zwar deutlich. Er fährt stoisch seine Querungen. Denke ich mir, egal, auch wenn das albern aussieht. Ich mache das jetzt auch. Höhö… aber sowas von. Meine Herren, das bringt einem tatsächlich Vortrieb. Scheinbar ist der Mehrweg weniger störend als von mir gedacht. Die Erleichterung der Neigung bringt’s…

Nach einem km attestiert mir die Durchgangszeit 15 Sec weniger als zuvor. Und das bleibt so. Der Orangene kann nicht mehr mithalten, ich distanziere ihn deutlich. Mal wieder rumdrehen und was ist, ein neuer Verfolger tut sich auf, ich bin in der ersten Steigung in der Kehrengruppe. Da kommt er, Trikot weit offen, atheltischer Wiegetritt, der Mann sieht richtig gut aus. Der holt mich auf jeden Fall ein. Fragt sich nur, wie lange ich ihm Paroli bieten kann. Mein Ehrgeiz ist erwacht.

Ich praktiziere also erneut das Straßenseitekreuzen (übrigens, von oben kam die ganze Zeit noch keiner runter, aber klar, vor’m Seitenwechsel immer brav Sichtkontrolle!) und kann ihn einige Zeit, die ganzen Kehren hindurch, auf Distanz halten. Aber er kommt, langsam, aber sicher.

Wir plaudern kurz und dann lasse ich ihn auf den letzten 2 km ziehen und fahre selbst wieder anständig geradeaus. Wie sieht das denn sonst aus. In diesem Segment kommen mir auch die ersten MTB-ler entgegen. Ich freue mich auch schon auf die Abfahrt.

Apropos Aussehen. Die Landschaft ist ab der Mautstation ja wie ausgewechselt. Nur noch Gestein, heller Asphalt, Eis und Schnee und Wolkenfetzen. Es ähnelt einer Mondlandschaft oder erinnert auch an den Mt. Ventoux, was die Kargheit angeht.

Nach 1:23 h bin ich oben, bekomme einen Biergutschein, hole mir die alkoholfreie Belohnung im Apres-Ski-Tempel ab und komme mit einem Einheimischen ins Reden.

Nach einer Viertelstunde dann Abfahrt, es zieht zu, keine Spur mehr von Sommer und Sonne, es sieht nach Regen aus. Gilet drüber und ab durch die Mitte.

Es sind nun merklich mehr Radler unterwegs, viele fahren am linken Strassenrand, viele fahren Zick-Zack, viele kämpfen.

Es ist Vorsicht angesagt, aber dank der Scheibenbremsen ist sicheres Verzögern nie ein Thema und es gibt auch Abschnitte, die ich mit 80 km/h laufen lassen kann, wenn ich alleine bin.

Runterwärts sind die Neigungen übrigens beschildert. Sehr nett. 13% lese ich häufiger, auch unterhalb der Mautstation. Also kein Wunder, dass es da vorhin sehr langsam bergauf ging.

Unten, am Start-/Zielbogen bin ich in ziemlich genau 14 Minuten. Demnach ein knapper 50er Schnitt bergab. Das hat sehr viel Spaß gemacht. 1:23 h rauf versus 0:14 h runter. Verrückt…

In Sölden ist es wieder warm, freundlich und schön. Ich gehe in ein Sportgeschäft und belohne mich mit einer neuen Radhose für das geglückte Sportwochenende.

Der restliche Weg nach Längenfeld hält noch eine Schrecksekunde (Auto vor mir geht plötzlich in die Eisen) bereit, die gute Bremse verhindert den Aufschlag auf den Kofferraum gerade noch.

Nach dem Ortsschild: Der Rückenwind und das leichte Gefälle beschert mir Geschwindigkeiten um 50 km/h ohne Probleme.

Am Camping dann sehr nerviger Wind, fahles Licht, die Witterung wird unangenehmer. Schnell wieder alles richten für die Heimfahrt, Dusche, den Platz zahlen und um kurz nach 14 Uhr geht es auf die Ötztaler Bundesstraße. Der Rückenwind hilft auch dem Wohnmobil auf die Sprünge.

Der Fernpass ist wieder verstopft, aber es geht langsam und stetig vorwärts, es ist nicht so schlimm wie es die Gegenrichtung ertragen muss. Und, kurz vor Füssen beginnt dann der Regen, der mich und unzählige Motorradfahrer bis kurz vor Kitzingen auf der A7 begleitet.

In meiner Heimat lacht schon wieder die Sonne und ich kann trocken meine Sachen ausladen.

Viele km, hm und Eindrücke liegen nun hinter mir.

Peng, aus die Maus. Gerne wieder.


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